Acht Cordon bleus, drei Kinder und ein Hotel

Wo es nur noch zu Fuss weitergeht und vier Pässe über die Kreten führen, liegt ein wohliges Übernachtungsziel: das Hotel Bergführer in Elm. Das grosse Holzchalet ist bekannt für seine Cordon bleus und die heimelige Gaststuben-Atmosphäre. Wer im Hotel Bergführer verweilt, ist Gast der fünfköpfigen Familie Lacher.

TEXT Delia Landolt BILDER Maya Rhyner

Wenn es für den 39-jährigen Familienvater Fabian Lacher nach dem Familien-Nachtessen zurück in die Küche geht, klopft die 10-jährige Sophia mit der flachen Hand auf den Tisch und ahmt damit ihren Vater nach, wie er das Fleisch für die Cordon bleus vorbereitet. Nur eine Tür trennt die Restaurantküche vom Familien- und Mitarbeiter-Esstisch. Währenddessen managt Andrea Lacher alles andere: Zuerst müssen die Kinder ins Bett, anschliessend ist sie im Service gefragt, tagsüber organisiert sie das Büro, wirkt als Floristin in den Restaurant-Räumen, bespielt die Social-Media-Kanäle des Hotels und bringt die ganzen Familien-Termine unter einen Hut. «Ich bin überall und nirgends», sagt die energievolle 35-Jährige und findet es «lässig», so viele verschiedene Facetten leben zu können und fragt rhetorisch: «In welchem Beruf hat man das schon?»

«So viele Facettenleben zu können – das ist lässig.»

Heimisch in Elm, auch als Gast

Es ist das 13. Jahr der Lachers im Hotel Bergführer, die acht frisch renovierten Zimmer sind oft mit Stammgästen gefüllt. Sie kommen, weil sie den persönlichen Umgang der Familie schätzen, sie kennen Elm und die Leute aus dem Dorf. In den Jahren haben sie gesehen, wie aus dem jungen, mutigen Paar eine Familie geworden ist. Und so begrüssen heute Andrea, Fabian, Sophia, Moritz und Aurelia die Wanderer, Bergsteiger, Biker und Spaziergänger im heimeligen Hotel mit der grosszügigen Gartenterrasse.

Von Einsiedeln nach Elm

Kennengelernt haben sich Andrea und Fabian bei der Post in Einsiedeln, wo sie beide arbeiteten. Doch Fabian zog es zurück in seinen Beruf als Koch, Andrea zurück nach Elm, wo sie aufgewachsen ist. Das Hotel Bergführer vereinte beide Wünsche. «Aus purer Naivität, Unerfahrenheit – und Spass», schmunzelt Fabian, übernahmen sie die ehemalige Pension. Sie waren beide Mitte zwanzig, mussten die Bank von ihrem Projekt überzeugen und konnten im November 2010 den Bergführer wiedereröffnen. Zuvor wurde es von einer ebenfalls energievollen Frau geführt, deren Mann ein Bergführer war. Der Name hatte Bekanntheit in Elm, weshalb er blieb. Fabian wurde schnell heimisch, denn: «Es kamen ja alle zu uns, bald kannte ich das ganze Dorf.»

Geborene Gastgeberin

Sophias Geburt 2013 veränderte vieles, für Andrea wurde jemand zu 100% im Service angestellt: Zwar hat sich Sophia ihren Geburtstag genau an einem Sonntag ausgesucht, sodass Fabian und Andrea einen Hotel-Ruhetag vor sich hatten. Doch bald wurde ein Gendefekt entdeckt, der ihre körperliche und geistige Entwicklung hemmt. Zur Schule geht sie ins Heilpädagogische Zentrum nach Oberurnen. Ist sie zu Hause, spaziert sie als freudige Gastgeberin mit ihrem grünen Rollator durchs Restaurant und begrüsst die Gäste mit einem freudigen «Hooi!». Dank intensiven Therapien macht Sophia kleine Fortschritte. Für eine Spezialbehandlung gehen sie jährlich zwei Wochen in die Slowakei.

Kleiner grosser Bruder

Eineinhalb Jahre darauf folgte Moritz. Er kam mit einem Herzfehler zur Welt, musste ein Jahr lang Medikamente nehmen und regelmässig nach Zürich zur Kontrolle. Heute passt der vive 8-jährige Moritz auch mal auf Sophia auf, putzt ihr die Zähne und spielt gerne den grossen Bruder. «Langsam versteht er, dass er Dinge kann, die Sophia nicht beherrscht», stellt Andrea fest. «Früher hat er sich oft wegen ihr genervt, das ist nun bei Aurelia auch so. Da kann es schon mal laut werden.» Das jüngste der drei Kinder, die 5-jährige Aurelia, ist ebenfalls aktiv und interessiert sich viel mehr fürs Restaurant als für ihre grosse Schwester, hilft gern im Service oder in der Küche – wofür sie dafür aber noch etwas zu klein ist.

Ferien auf dem Bauernhof

Das Hotelprojekt wurde zu einem Familienprojekt, das ohne die Grosseltern nicht funktionieren würde. Vor allem das Grosi in Elm schaut oft zu Sophia, damit die anderen Kinder auf eine Wanderung oder Ski fahren gehen können – die Lachers wollen allen drei Kindern gerecht werden. Eine Herausforderung ist besonders der Sommer, wenn Schulferien sind und gleichzeitig Hochsaison im Hotel ist. Dann machen Moritz und Aurelia auch mal bei den Grosseltern in Einsiedeln Ferien auf dem dortigen Bauernhof.

Die Hausspezialität samt feinem Tropfen

Fabian klopft die Stücke für die nächsten Cordon bleus in der Restaurantküche. Die Gaststube ist voll, die Hausspezialität gefragt. Er erinnert sich schmunzelnd daran, als das allererste Cordon bleu die Küche verliess, «da war ich schon etwas nervös», gesteht er. Heute sind acht Cordon-bleu-Varianten auf der Bergführer-Speisekarte. Und da unter den Stammgästen auch ein Weinhändler aus Basel ist, trägt die Flasche mit dessen Tropfen eine «Bergführer»-Etikette.