Wenn Urkräfte erlebbar werden
Als sich die Alpen bildeten, hinterliessen sie im Glarnerland so manche Spuren – so deutliche wie sonst nirgends auf der Welt. Speziell die Tschingelhörner mit dem Martinsloch und der «magischen» Linie geben Aufschluss über die mächtigen Kräfte, die damals gewirkt haben. Acht Geschichten aus der Welterberegion um die Tektonikarena Sardona – zu finden als GeoStätte – werden hier von GeoGuides erzählt.
TEXT Hans Fischli, Katja Dürst, Claudia Müller
Nirgends auf der Welt ist schöner zu sehen, wie sich einst die Berge auftürmten – ob Elm hat sich dabei eine schnurgerade, «magische» Linie gebildet, die junges Gestein unten von älterem oben trennt. Diese ungewöhnliche Schichtung entstand, als die afrikanische Kontinentalplatte sich mit einer Geschwindigkeit von zwei Zentimetern pro Jahr über die europäische schob. Teile der europäischen Platte wurden abgeschabt und übereinandergestapelt. Gleichzeitig wurde von der Witterung immer wieder Gestein ab- getragen – so auch die Kalksteine, wo heute das Martinsloch ist. Auch frassen Wasser und Wetter die Zacken in die Tschingelhörner. Jeweils an zwei Tagen im Frühjahr (13./14. März) und im Herbst (1./2. Oktober) treffen die Sonnenstrahlen durchs Martins- loch auf die Kirche von Elm.
Geo-Erlebnis: Einmal im Martinsloch stehen. Bergtour mit einheimischen Bergführern.
Schiefertafelfabrik
Der feine Elmer Schiefer eignete sich besonders gut für Schreibtafeln. So begannen die Gebrüder Schenker ab 1898 in Elm Schiefertafeln zu produzieren. 33 Arbeitsschritte waren dafür nötig. Die Nachfrage war gross. Doch als 1970 das Papier in den Schulen Einzug hielt, ging es mit der kleinen Fabrik bergab. 1984 wurde der Familienbetrieb geschlossen. Öffnen sich heute die Türen für Besucher, findet man alles in seinem ursprünglichen Zustand vor. Sogar die Maschinen «Marke Eigenbau» funktionieren noch.
Geo-Erlebnis: Führung in der Schiefertafelfabrik , Gäste-Info Elm, 055 642 52 52
Linthschlucht und Pantenbrücke
Eindrücklich ist sie, die Linthschlucht zuhinterst im Glarnerland. Gerade mal 15 Minuten sind es vom Parkplatz Tierfehd bis zum «Känzeli». Von dieser Aussichtsplattform geniesst man einen imposanten Blick: Wasser kombiniert mit Sand hat sich in geduldiger Arbeit in den Felsen gefressen. Es entstand die tief eingeschnittene, enge Linthschlucht. Weiter oben ist die berühmte Pantenbrücke, der einzige Übergang über die Schlucht auf dem Weg zum Kisten- und Sandpass, einst wichtige Übergänge ins Bündnerland.
Geo-Erlebnis: Wanderung von Linthal aus zur Fridolinshsütte SAC, auf dem Weg passiert man die Pantenbrücke. Die Fridolinshütte SAC ist Ausgangspunkt für geführte Bergtouren zum Tödi.
Berglistüber
Der Berglistüber ist eine kleinräumige Landschaftsperle. Auf welch vergnüglicher Bahn das Wasser auf den freien Fall losschiesst! Wie es in der Luft zerstiebt und erfrischt. Auf der Oberfläche der Gumpe kräuseln sich feine Wellen. Hinter den Wasserschleiern ist messerscharf eine Überschiebung zu erkennen. Der harte Kalkstein oben ist älter als der weiche Schiefer unten und wirkt als Stufe für den Wasserfall.
Geo-Erlebnis: Erreichbar ist der Berglistüber ab auf dem sanierten Weg in einem 10-minütigen Spaziergang von der Klausenpassstrasse aus.
Saurierspuren am Tödi
Dem Tödi fehlt die Spitze. Das fällt sofort auf, wenn man den höchsten Glarner genauer betrachtet, der in seiner ursprünglichen Form das Matterhorn überragt hätte. Überreste der Gipfelgesteinsart sind heute weiter unten am Berg zu finden. Mächtige Kräfte in Form von Erosionen oder Erdbeben haben den Gipfel zum Sturz gebracht. Diese sind auch dafür verantwortlich, dass der Tödi gesamthaft aus fünf verschiedenen Gesteinsarten aufgebaut ist. In einer davon, der Trias-Schicht, hat im Jahr 2000 ein Linthaler Saurierspuren entdeckt. Damals hat sich der Sandfirn so weit zurückgezogen, dass immer mehr des dortigen Röti-Dolomits zum Vorschein kam. Wie das feine Gestein erahnen lässt, war dies einst Kalk- schlamm, worin die gut 200 Fussabdrücke aushärten konnten. Heute sind sie über 230 Millionen Jahre alt. Da die Saurierspuren nicht am Wanderweg liegen, sind sie nur mit GeoGuides, Bergführer oder Wanderleiter/-innen zu finden.
Geo-Erlebnis: Geführte Tour zu den Saurierspuren. Ein Weiterwandern zur Planurahütte SAC ist empfehlenswert
Kärpfbrücke
Unter den vielen Wanderrouten im Freiberg Kärpf führt eine zur Kärpfbrücke, einer imposanten Naturbrücke. Bereits auf dem Weg fällt die Farbenpracht der Steine in allen Übergängen von Grün bis Rot auf – ein typisches Merkmal für den Glarner Verrucano. Im Bett des weiss schäumenden Niderenbachs leuchten die Farben besonders schön. Beim genauen Betrachten fällt auf, dass das Verrucano aus tonigen bis sandigen Komponenten und grösseren, kantigen Steinen zusammen- gesetzt ist. Es handelt sich um ein sehr altes und hartes Ablagerungsgestein. Ursprünglich abgelagert in einem vulkanisch aktiven Wüstengebiet. An einer Stelle liegen nicht die harten Verrucano-Gesteine an der Oberfläche, sondern der Lochsitenkalk, welcher durch die Erosion freigelegt wurde. An dieser Stelle fliesst der Bach über eine Strecke von ca. 50 Metern unterirdisch.
Geo-Erlebnis: Geologische Wanderung Mettmenalp