Landesplattenberg – ein Schieferstollen sorgt für Staunen

Hans Rhyner sperrt Mund und Augen weit auf, als er das erste Mal in den Kavernen des Schieferbergwerks in Engi steht. Obwohl im Schein der Taschenlampe nie das ganze Ausmass der Räume ausgemacht werden kann, weiss er: Dieses Bergwerk soll öffentlich werden.

TEXT Delia Landolt BILD Andreas Maduz

Völlig zugewuchert, vergessen und versteckt im Wald befand sich der Stolleneingang des einst florierenden Schieferstollens in Engi. Als der Elmer Hans Rhyner davon hörte, liess er sich von einem Engeler dahin führen und fand sich mit ihm zusammen in den mächtigen, Dom-artigen Räumen wieder, gestützt von schrägen, nach unten schmaler werdenden Säulen. An den Wänden ist noch jeder einzelne Pickelschlag der Bergwerksarbeiter auszumachen.

Streifzüge und Stollenarbeit

1961 wurde das Schieferbergwerk in Engi stillgelegt. Der Abbau rentierte längst nicht mehr, der Rohstoff war nicht mehr gefragt. Damals kam Hans Rhyner als 21-Jähriger gerade von der Polier-Ausbildung ins Sernftal zurück, Zürich war ihm zu langweilig. «Ich wollte immer grobe Sachen machen, mit Bagger arbeiten, Sprengungen machen. Das habe ich geliebt.» So fand er Arbeit in seinem Heimatdorf Elm, wo für die Wasserfassung des Wichlenbachs ein Tunnel nach Linthal gebaut wurde. Schon als Kind zog es ihn immer wortwörtlich in die Berge – auf Streifzügen erkundete er die Schieferstollen von Elm. Zwei davon sind längst zusammengefallen, der Dritte wurde von den Mineralquellen Elm er- und damit verschlossen. Er musste sich neue Abenteuer suchen.

Faszination hoch Zehn

«Diese Stollen in Elm waren gerade mal 2,5 Meter hoch. In Engi hingegen ragten die Höhlen das Zehnfache in die Höhe.» Fasziniert von der Entdeckungstour zog es Hans Rhyner immer wieder in den Landesplattenberg, so tief hinein, wie niemanden vor ihm. Als Präsident des Verkehrsvereins, des damaligen Tourismusvereins Sernftal, brachte er seine Idee ein: Der Schieferstollen in Engi soll öffentlich zugänglich gemacht werden. Ausgelacht wurde er dafür, doch den damaligen Gemeindepräsident von Engi überzeugte er, worauf ein Geologe die Sicherheit im Berg prüfte. Ab sofort wurde wieder gearbeitet am Berg – meist ehrenamtlich.

Ein Berg im Licht

Mit dem neuen Fussweg kam die «Gesellschaft für Historische Bergbauforschung» in das Bergwerk, ihre Publikation im Tagesanzeiger lockte die Schule für Gestaltung Zürich mit 13 Architektur-Studierenden an. Aus einer Projektwoche resultierte ein Lichtkonzept und ein Buch, dessen Vernissage Schwung in den Berg brachte: Eine Stiftung wurde gegründet, Sponsoren gesucht, der Stolleneingang aus dem Wald geschält und ein Platz planiert. Mit Lehrlingen, Vereinen, Arbeitslosen, Pensionierten und dem Militär wurden WC, Brunnen und die Strasse gebaut. Strom wurde verlegt und die Elektrischen Werke Engi setzten das Lichtkonzept um. «Es war wie Tag und Nacht, als wir endlich den Plattenberg in vollem Licht sahen. Jetzt konnten wir endlich Werbung machen», erzählt Hans Rhyner. Gefeiert wurde mit Stollensteaks auf dem Grill, die heute den Gästen angeboten werden – bis zu 9'000 Personen waren dies in Spitzenjahren.

Die Geschichte bleibt

Auch nach 40 Jahren im Berg, 81 Jahren auf dem Buckel, etlichen Konzerten in den beiden Sälen, Hochzeiten und Festen, denkt Hans Rhyner noch immer bei jedem Besuch ehrfürchtig an die Bergwerksarbeiter, die damals mit Karbitlampen, bei 90% Luftfeuchtigkeit und ständig umgeben vom Staub im Plattenberg arbeiteten. «Nicht die Dunkelheit war ihr grösstes Problem, sondern der Staub, welcher ihre Sicht auf zwei Meter beschränkte. Er setzte sich auf ihren Lungen ab und galt Jahre später als ihre Todesursache», erzählt Hans Rhyner. Es sind die Geschichten von früher und das Abenteuer, welches er im Labyrinth des Stollensystems fand, die ihn immer wieder in den Berg zogen – zuerst allein mit der Taschenlampe, später als Führer mit einer gwundrigen Gruppe, heute als Vater des Plattenbergs.