Am Steuer des MS «Churfirsten» über den Walensee

Wie ein Bergsee – einfach um ein Vielfaches grösser – ist er tief eingebettet zwischen den Bergflanken des Glarnerlands und des St. Gallischen Heidilands. Verbunden werden die verschiedenen Destinationen durch die Schifffahrtsgesellschaft Walensee. Mit an Bord und direkt am Steuer: Kapitänin Sarina Scherrer.

TEXT Delia Landolt BILDER Maya Rhyner

Sie lässt das Horn der MS «Churfirsten» ertönen, nimmt das Mikrophon in die Hand und gibt durch: «Nächster Halt, Mühlehorn». Das zweitgrösste Kursschiff der Walenseeschifffahrt mit zwei Decks verlangsamt, wird präzise und ruhig von Sarina Scherrer an den Steg gesteuert. Ruhig, besonnen und energisch, lautet das Motto der Kapitäninnen und Kapitäne der Walenseeschifffahrt.

Ruhig und besonnen scheint Sarina Scherrer von Natur aus zu sein. Und energisch? «Sobald ich unsere Gäste oder mein Team anweise, muss ich bestimmen und entscheiden.» Dies ist der Fall, wenn ein Sturm aufkommt, Hagel herunterprasselt oder etwas unvorhergesehenes passiert. Auch ist sie es, die bei «Mann über Bord» ihr Team koordinieren muss. Auf dem Schiff trägt die 27-Jährige die Verantwortung.

Ein Seilwurf bis zur Matrosin

Dass Sarina heute hinter dem Steuer, auf dem Oberdeck in der Kabine steht und das Kursschiff managt, begann mit einem Personalmangel im Schiff-Service, wo sie an einigen Wochenenden aushalf. Ihr Vater Markus Scherrer ist Betriebsleiter der Walenseeschifffahrt und fragte, ob sie nicht aushelfen könne. Aus den Wochenenden-Einsätzen im Service wurde eine Ausbildung zur Matrosin. Dazu gehört das Billetieren, Hilfe beim Ein- und Aussteigen der Gäste und natürlich der Seilwurf, um das Schiff am Steg festzumachen.

Aufgewachsen mit dem See

Ihre eigentliche Anstellung als Bäckerin-Konditorin reduzierte sie für die Ausbildung auf 60%. Die Entscheidung lag nahe: Aufgewachsen in Unterterzen und oft mit dem Schiff zu Besuch bei der Urgrossmutter in Quinten, kannte sie das Schifffahren von klein auf. Mit dem Vater als Kapitän und Betriebsleiter sowieso. In ihrer vierten Saison als Matrosin reizte es sie, auf diesem Beruf weiterzumachen. Während einer Fahrt ging sie in die Steuerkabine zu ihrem Vater: «Wäre das nicht super, wenn ich diesen Kurs auch fahren könnte?» Markus Scherrer lachte: «Das ist doch wieder so ein Vogel von dir».

Weitergewachsen auf dem See

Bis dahin hatte der Schiffsbetrieb Walensee noch keine aktive Kapitänin im Team. Doch das verunsicherte Sarina nicht und eine Woche später – wieder in der Führerkabine – sagte sie zu ihrem Vater: «Ich meine es wirklich ernst.» Nach einem Probetag am Steuer war der Fall klar und Sarina ist heute die erste Frau, die auf dem Zweideck-Schiff «Churfirsten» den Kurs fährt. Eine weitere Kapitänin fährt momentan mit dem kleineren Schiff die Strecke Murg – Quinten.

Fjord unter den Churfirsten

Heute checkt Sarina mit aller Selbstverständlichkeit morgens den Motorraum und lenkt das Schiff über den türkisblauen Walensee, der fjordartig zwischen den St. gallischen Churfirsten, den Flumserbergen und dem Glarnerischen Kerenzerberg eingebettet liegt. Bis zu 1000 Höhenmeter gehen die Steinflanken zu den Seiten des Sees in die Höhe. Gut ein Viertel des Sees gehört zum Glarnerland und wird mit Mühlehorn als Hafen angefahren. Mit seinen 151 Metern ist der Walensee der sechst tiefste See der Schweiz und dementsprechend immer einige Grad kälter als andere. Erst spät im Sommer wird er über 20 Grad warm.

Zwischen Wind und Surfern

«Wenn ich auf den See darf, fühlt es sich nicht wie Arbeit an», sagt Sarina Scherrer. Und das, obwohl der Walensee nicht immer der einfachste Kamerad ist. Der Wind kommt und geht sehr schnell und mit ihm das Wetter und die Windsurfer, die speziell auf Föhn aus sind. «Wenn Sturm ist, dazu viele Gäste an Bord sind und der See voll mit Surfern ist, dann fordert das Schifffahren.» Denn das Schiff, so erzählt Sarina Scherrer, ist bei jeder Begebenheit wieder anders zu lenken. Auch reagiert jedes Schiff wieder anders, weshalb man sich als Kapitänin vom kleinsten zum grössten Schiff hocharbeitet.

Das Grösste zum Schluss

Nächsten Sommer geht es aufs Flaggschiff, das grösste auf dem Walensee. «Das wird nochmals ein grosser Schritt sein», meint Sarina bescheiden. Doch so entspannt wie sie das MS «Churfirsten» über den See steuert, so wird sie das auch bei der MS «Quinten» tun. Mit ihrem gut eingespielten 3-er-Frauenteam an Board sowieso, was vielen Gästen positiv auffällt. Einmal sagte eine Mutter, sie sei schon froh, dass Sarina wieder am Steuer sei. Vor drei Wochen sei sie schon mit ihrem Sohn mitgefahren und seither frage der Junge nur noch: «Wann gehen wir wieder zur Frau Kapitänin?»